/Der Fleck (Textauszug)

Veröffentlicht in der Anthologie „… und dann ging die Geschichte erst richtig los“, Herausgegeben von Guido Rademacher, Schibri Verlag, Berlin 2011.

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(…)

Im Konferenzraum, die Gläser im Visier, ging Millberg in die Hocke, die Augen zwei schmale Schlitze. Hatte die Schmidt wieder mal so hingeschoben, noch nicht mal richtig eindecken konnte die. Er sah zur Uhr über der Tür, wischte die Hände an der Hose ab, wieder knurrte sein Magen. Er stand auf, nahm sich einen Keks aus der Schale auf dem Tisch, ging kauend in die Hocke, stand auf, rückte Gläser und Schale zurecht. Dann wählte er einen Platz, legte Akten und Stift vor sich und stellte den Stuhl so, dass er sich setzen und aufstehen konnte, ohne ihn bewegen zu müssen. Durch die geschlossene Tür hörte er, wie Hartwig sich um Konversation mühte.

EtappeVerstohlen nahm er noch einen Keks. Doch gerade als er hineinbeißen wollte, ging die Tür auf. Hastig warf Millberg den Keks zurück in die Schale, streifte die Finger an der Hose ab und presste die Lippen aufeinander. Die chinesische Delegation verbeugte sich, dann schlenderte der Übersetzer herein, den er von anderen Verhandlungen kannte.

„Der Herr Delegationsleiter, Mr. Ling“, dröhnte der Übersetzer in rauem Bariton, Mr. Ling verbeugte sich, ein kleiner Mann in weitem Sakko und großer Brille, wie der Vater,
in seinem weiten Sakko und der Brille
.

Millberg verzog den Mund, während der Übersetzer ihn vorstellte, fremde Laute und Worte, und am Ende meinte er ein „Müllberg“ zu hören. „Hello and welcome, how do you do“, sagte er und blickte in die Brillengläser von Mr. Ling. Doch was er sah, war sich selbst, den Kopf zur Seite geneigt, schemenhaft. Ein Fliegenauge, dachte er und sagte: „I hope you had a good flight.“ Wie er im Rollstuhl saß. „Please sit down.“

Verstohlen schaute er noch einmal über seine Krawatte und das Hemd hinab zur Hose, ein letzter Blick, aber da blieb sein Auge an der Naht hängen, wie konnte das sein, ein Fleck! Seine Augen suchten nervös den Tisch ab, aber noch nicht einmal Servietten hatte die Schmidt hingelegt. Und warum hatte er den hellen Anzug angezogen? Nur weil Ingrid Sandfarben liebte. Was wusste die schon!

„Mister Weiß-Nicht“, brüllte die Mutter, „Mister Weiß-Nicht weiß nichts.“ Ganz heiser war sie vom Schreien gegen den Vater geworden, der keine Antworten mehr wusste, egal, wie laut sie schrie.

Kurau kam herein, zog die Tür zu und stellte sich neben Millberg. „Ich begrüße Sie in unserem Haus. Herr Millberg aus dem Vertrieb wird das Gespräch führen.“ Wieder sprach der Übersetzer in seinem dunklen, rauen Klang, eine unregelmäßig artikulierte Phrase, an deren Ende er wieder „Müllberg“ zu hören und Kurau ein Kichern unterdrücken zu sehen glaubte. Der raunte ihm leise ins Ohr: „Lassen Sie sich nicht übervorteilen.“ Dann setzte sich Kurau, die Chinesen lächelten. Millberg blickte auf die Keksschale, die Gläser. In der Brille seines Gegenübers sah er, wie er da stand, allein, ein Mann mit Haltung und einer an die Naht gepressten Hand, dass es wehtat, so fest presste er die Hand an die Hose, den Blick auf die Ecke geheftet, in der er stand. Als er von einem Bein aufs andere wechselte, schrie Gertrud: „Wenn du dich noch mal bewegst.“ Dabei knallte sie mit dem Stock gegen ihre Waden. „Was hat dein Vater nur für ein ungezogenes Kind gezeugt.“ Was war zeugen, dachte er, aber er wagte kaum zu atmen.

Weiterlesen? Hier erfahren Sie, wie sich Millberg in der Verhandlung schlägt, – und zwar als  

  pdf zum ausdrucken     und demnächst auch als interaktive erzählung für ipad und als taschenbuch.

 

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